7 Jahre Holacracy – Sandro Dönni zieht im Interview Bilanz
Unic geht ins siebte Jahr mit Holacracy. Zeit, Bilanz zu ziehen. Was hat sich mit der neuen Arbeitsform verändert? Wie können sich Unternehmen aus ihren formalisierten Strukturen befreien? Welche Herausforderungen und Vorteile birgt diese Organisationsform, und die Transformation selbst? Diese und andere Fragen beantwortet Sandro Dönni, Principal Consultant bei der Unic und damals als »Lead Link« des Change Office maßgeblich bei der Einführung von Holacracy beteiligt. Erfahre, warum die Transformation zur Holacracy eine Einbahnstraße sein sollte; und warum traditionelle Hierarchien gegenüber einem verteilten Entscheidungssystem ausgedient haben.
Welche Erfahrung hast du mit Holacracy gemacht?
Wenn man heute zurückblickt, vor die Einführung der Holacracy, war die Unic sehr stark formalisiert. Zu viele Prozesse machten das Arbeiten kompliziert; was die Komplexität erhöhte und die Abläufe zu sehr verlangsamte. Wir mussten also wieder deutlich agiler werden.
Mit der Einführung von Holacracy vollzog sich eine Kehrtwende. Die Arbeitsweise und das Miteinander veränderten sich positiv über alle Teams hinweg. Dank dieser frischen Dynamik gehen wir Veränderungen angstfreier an. Alle Mitarbeiter:innen sind eingeladen und aufgefordert, Veränderungen anzustoßen und voranzutreiben.
Unternehmen unterschätzen, was die Hierarchien bei ihnen auslösen, welchen negativen Impakt sie haben!
Sandro Dönni, Principal Consultant bei Unic
Heute ist alles viel freier und flüssiger. Der Wechsel zur Holacracy hat der Unic Kultur gutgetan. Natürlich lösen sich zwischenmenschliche Themen nicht auf und die Anforderungen an Kommunikation und Sozialkompetenz steigen in einem selbstorganisierten System sogar. Wir sind aber in diesen Bereichen stärker und die Zusammenarbeit ist aus meiner Sicht entspannter geworden. Das ist sicherlich auch der hohen Transparenz und Klarheit geschuldet. Mühsame unternehmenspolitische Themen sind aus dem Unic Alltag nahezu verschwunden.
Welche Vorteile siehst du konkret für dich persönlich mit Holacracy?
Der entscheidende Vorteil liegt darin, dass alle Mitarbeiter:innen Dinge, die für sie wichtig sind, aktiv angehen können. Sie können ihre Energie und ihre Kompetenz dort einbringen, wo sie am meisten Wert stiftet. Alle können die Organisation in kleinen Schritten situativ verändern. Mitarbeiter:innen entscheiden selbst, in welchen Rollen sie tätig sein möchten und damit auch, welche Schwerpunkte für sie nicht infrage kommen. Die Rollenwelt führt zudem zu dynamischen Karriere- und Entwicklungspfaden und ist aus meiner Sicht einer der zentralen Gründe für unsere sehr niedrige Fluktuation.
Ein weiterer Vorteil betrifft die Organisation selbst. Wenn man diese kundenorientiert aufbaut und die Kreise (Teams) Purpose-zentriert ausrichtet, dann schafft man es auch, Kund:innen bedürfnisorientiert besser zu bedienen. Mit Holacracy ist die Gefahr kleiner, dass man eine Organisation schafft, die sich nur um sich selbst dreht. Die einzelnen Teams engagieren sich wesentlich unternehmerischer, Metriken und deren KPIs sind für jeden zugänglich und werden verstanden. Alle haben das Interesse, den unternehmerischen Erfolg erfolgreich mitzugestalten
Was sind die größten Herausforderungen für Dich sowie für Unic seit Holacracy?
Die stärkere Eigenverantwortung bringt viele positive Aspekte und fördert die intrinsische Motivation; sie ist für alle gleichzeitig auch herausfordernd und war zu Beginn für einige auch ungewohnt. Es ist wichtig, diesen Herausforderungen der Selbstverantwortung gemeinsam zu begegnen. Jeder muss sich zwar klar darüber sein, welche Verantwortung mit den jeweiligen Rollen einhergeht, der Dialog untereinander bleibt aber enorm wichtig. Rollen und Verantwortlichkeiten ändern sich bei Unic laufend und das System passt sich damit den konkreten Herausforderungen des Umfelds an. Das passiert bei der Unic mittlerweile fließend. Die verteilte Verantwortung ist mittlerweile etwas positives und schafft für die Mitarbeitenden viele persönliche Entwicklungspotentiale.
Herausfordernd ist auch die stetige Suche nach Optimierungspotenzialen. Das ist grundsätzlich immer ein Spannungsfeld; eben weil es oft kein eindeutiges Falsch oder Richtig gibt. Wir befinden uns ständig in Bewegung und müssen hier den passenden Rhythmus von Dynamik und Stabilität immer wieder neu finden. Das passende Tempo führt meines Erachtens zu einer ausgewogenen Ausschöpfung der Potenziale und hilft uns bei aller Dynamik gesund und motiviert zu bleiben.
Wo würdest du heute rückblickend ein besonderes Augenmerk drauflegen?
Wir bieten Kommunikationsschulungen an; auch weil wir zunehmend feststellen, dass speziell die Kommunikation, gepaart mit Sozialkompetenz, entscheidende Faktoren für den Erfolg darstellen. Dabei ist die Art der Kommunikation meist vom Tooling abhängig. Chats, Tickets, E-Mails, digitales Meeting, Präsent-Meeting: So unterschiedlich die Kanäle sind, so unterschiedlich auch die Kommunikation. Wie reagiere ich? Wie bin ich wertschätzend? Und wie wirke ich eigentlich auf andere? Wichtige Fragen, die so individuell sind, wie unsere Kund:innen und Kolleg:innen selbst. Und da bei der Holacracy niemand mehr von oben schulmäßig reguliert, muss das Kollektiv darauf achten, dass eine wertschätzende Kommunikation in allen Kanälen gelebt wird.
Für Unternehmen, die sich auf die Reise machen wollen, empfiehlst Du...
…auf die Reise gehen lohnt sich. Unternehmen sollten die Reise hin zu »Shared Leadership« und Selbstorganisation mit klarer Überzeugung und Zielen starten. »Change« und Transformation sollten dabei gut begleitet werden. Das ist absolut relevant. Da braucht es Personen, die Kompetenzen haben und sich ernsthaft Zeit nehmen, sich darum zu kümmern. Das schafft man nicht mal eben nebenbei. Es hilft zudem, eine Außenblick zu haben von jemandem, der Erfahrung hat. Ich würde zudem empfehlen keinen Plan B zu haben, damit man konsequent und zielorientiert vorwärts geht und die Energie voll und ganz auf den neuen Weg, Plan A, legen kann. Es ist eine Reise, auf die sich ein modernes Unternehmen aufmachen sollte!