Post – Design im Wandel
Es braucht echte Anwendungen, echte Produkte und echtes Kundenfeedback für ein praktikables Corporate-Design-System. Darum haben wir uns bei der Post dafür entschieden, mit den grob definierten CI/CD-Vorgaben möglichst schnell laufende digitale Projekte zu realisieren. Dies hat uns ermöglicht, anhand konkreter Probleme das neue Design zu testen und weiterzuentwickeln.
Corporate Design heute
In einem zunehmend durch Technologien geprägten Marktumfeld müssen moderne Marken fähig sein, schnell auf sich verändernde Kundenbedürfnisse zu reagieren. Nur wenn eine Marke fähig ist, neue Nutzertrends zu adaptieren, bleibt sie nachhaltig relevant.
Viele Firmen sehen sich mit der Aufgabe konfrontiert, ihr Corporate Design mit all seinen Touchpoints zu modernisieren und dabei gleichzeitig die Wiedererkennbarkeit und die erarbeitete Reputation zu erhalten. Oft mühen sich Corporate-Design-Verantwortliche mit bestehenden Styleguides ab, die in ihrer Art und Struktur nicht mehr den heutigen Anforderungen der digitalen Welt genügen.
Ein Marken-Neustart ist jedoch für grosse Unternehmen wie der Schweizerischen Post keine Option. Zu viele laufende Projekte und nicht zuletzt die Kosten für ein komplettes Redesign können so eine Weiterentwicklung der Marke verhindern. Das liegt vor allem daran, dass die Designprozesse in einem Unternehmen sehr statisch organisiert waren. Dabei bietet gerade die Digitalisierung neue Möglichkeiten, ein Erscheinungsbild dynamischer zu gestalten. Dafür braucht es neue Methoden in der Erarbeitung und im Management eines Corporate Designs.
Papiertiger und Labormäuse
Corporate Designs werden meist in Laborsituationen entwickelt. Eine Handvoll von Anwendungen dient dabei als Grundlage, um neue Gestaltungsregeln zu erarbeiten: Eine beispielhafte Website, ein Plakat, eine Broschüre und ein Beispiel von einer Gebäudebeschriftung reichen oft aus, um ein Corporate Design für Jahre hinweg in einen Styleguide zu meisseln. Bei der Umsetzung dieser Papiertiger tun sich dann gerade im digitalen Bereich Abgründe auf. Die schön erdachten Vorgaben lassen sich nicht konsistent auf die digitalen Kanäle anwenden.
Die Laborsituation ist nötig, um neue Thesen im Design zu evaluieren, jedoch ist das Resultat daraus noch lange kein praktikables Corporate-Design-System. Dafür braucht es echte Anwendungen, echte Produkte und echtes Kundenfeedback.
Auf eins. Los.
So haben wir uns bei der Post dafür entschieden, mit den grob definierten CI/CD-Vorgaben möglichst schnell laufende digitale Projekte zu realisieren. Dies hat uns einerseits ermöglicht, anhand konkreter Probleme das neue Designsystem zu testen und weiterzuentwickeln. Andererseits konnten wir frühzeitig echtes Feedback von Stakeholdern sowie Kundinnen und Kunden in die Entwicklung des Styleguides mit einbeziehen. Quasi «Continuous Integration» als Designprozess. So werden Anwenderinnen und Anwender Teil der «Geschichte» und damit zu Botschaftern für das neue Design.
Parallel dazu haben wir die in den Projekten entwickelten Design-Komponenten fortlaufend in einem digitalen Styleguide basierend auf Frontify zusammengeführt und dokumentiert. Ein Design-Gremium aus Vertretern von Marketing, UX und Markenführung traf sich in regelmässigen Meetings, um die nötigen Entscheidungen zu treffen, und konnte so das Design in die gewünschte Richtung lenken. Das Ziel war die fortlaufende Qualitätssteigerung des Designsystems bezüglich Gestaltungsqualität, Praktikabilität und Nutzen in echten Projekten.
Responsive Design Brand
Anders als bei traditionellen Styleguides, die ähnlich einem Gesetzbuch auf Kontinuität und Lückenlosigkeit ausgelegt sind, geht es bei digitalen Styleguides um Agilität. Die meisten Markenverantwortlichen agieren nach wie vor als Gesetzeshüterinnen der Markenguidelines. Dabei verlangt die digitale Produktentwicklung aktives Mitgestalten und die unmittelbare Lösungsfindung im Zusammenspiel von Produkt und Marke.
Der digitaler Styleguide der Post soll lernfähig sein. Änderungen und Modifikationen sind willkommen und erhöhen dadurch die Adaptionsfähigkeit der Marke. Damit kann das Corporate Design organisch wachsen, und gleichzeitig bleibt die Wiedererkennbarkeit gewährt.
Die permanente Weiterentwicklung von Patterns erfordert ein Designsystem, welches im Alltag genauso dynamisch und schnellstmöglich auf diese Anpassungen reagieren kann. Deswegen ist der Arbeitsprozess, der hier dahintersteht, genauso wichtig wie das System selbst. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Veraltete Vorgehensweisen, welche dazu noch hoch ineffizient sind, wie mit PDF’s zu arbeiten oder Silodenken, greifen schon länger nicht mehr.
Andy Badstoeber
Spezialist Marke & Identität Digital, Die Schweizerische Post
Die Copy/Paste-Ära
Der Zweck von Brand-Guidelines hat sich durch die digitalen Produktionsprozesse radikal verändert. Statische Reproduktionsregeln von grafischen Elementen oder vermasste Layoutvorgaben sind im Zeitalter von Copy/Paste obsolet geworden. Die neuen Bausteine des Markenerlebnisses sind Codesnippets, Schnittstellen und Templatedaten, die manuell oder automatisiert in die Entwicklung von neuen Produkten und Anwendungen integriert werden.
Das Designsystem bildete die Grundlage für die Neuentwicklung der Frontend-Architektur der Post. Das Common Web Frontend (CWF) ist eine von der Post entwickelte Pattern Library, die als einfach zugängliche Sammlung von vorgefertigten Elementen dient, die in unterschiedlichsten Projekten mittels Copy/Paste zur Anwendung kommen.
Der digitale Styleguide der Post dokumentiert so die Module, erklärt deren Gestaltung und Anwendung und macht gleichzeitig die Codesnippets aus dem CWF für die Entwicklung zugänglich. Gerade bei einer grossen Anzahl an verschiedenen Webapplikationen ist es entscheidend, dass die Module konzeptionell einheitlich umgesetzt sind und für verschiedene Anwendungsfälle wiederverwendet werden können. Der digitale Styleguide bildet so die Grundlage für ein konsistentes und wiedererkennbares Markenerlebnis.
Ta-Da!
Ein wesentlicher Vorteil von einem digitalen Corporate-Design-System ist die Geschwindigkeit. Grosse Unternehmen sind träge, wenn es um die Neuentwicklung von Produkten und Dienstleistungen geht. Um mit dem sich verändernden Nutzerverhalten mithalten zu können, müssen digitale Projekte schnell auf den Markt gebracht werden können.
Für die schnelle Produktentwicklung kann die Post heute auf ein bereits etabliertes und vorfabriziertes Designsystem zurückgreifen. Und mit der neuen Pattern Library der Post lassen sich Produktentwicklungs-Zyklen beschleunigen. So konnte der komplette Relaunch des Postportals in Rekordzeit realisiert werden. Dadurch, dass das Design bereits im Unternehmen etabliert war, gab es im Projekt keine Grundsatzdiskussionen mehr zum Design. Vielmehr wurden die Design-Ressourcen für die Evaluation von komplett neuen Konzepten und Ideen genutzt.
Mit dem Designsystem konnten schnell Produkt-Prototypen gebaut und mit Kundinnen und Kunden getestet werden. Dadurch lag der Fokus im Projekt verstärkt auf den Inhalten und den konkreten Problemen der Nutzerinnen und Nutzer. In Projektmeetings wurde über Servicequalität und Produktstruktur geredet. Nicht über Pixel.
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